Der Mangel am Überfluss

Pfaffenhofener Kurier 14.11.2013

Gudula Langmaier ist zugleich empört und verärgert. „Gestern wurden wir von einem Supermarkt angerufen, bei dem die Kühlkette für eine Stunde unterbrochen war. Wir sollten die betroffenen Lebensmittel abholen, da sie im Markt nicht mehr angeboten werden dürfen“, sagt sie. Es sei richtig viel gewesen: acht Paletten Wurst, Käse, Joghurt, Milch. „Alles was eben gekühlt werden muss“, berichtet die Vorsitzende der Pfaffenhofener Tafel.

Tafel-Leiterin Gudula Langmaier (von links), Karin Nertinger, Claudia Tafferner, Silvia Hiestand und Heidrun Schäfer sammeln bei Supermärkten Lebensmittel ein, um sie an Bedürftige zu verteilen – Foto: Diaw

So ein Anruf ist bei den Helfern der Tafel in Pfaffenhofen im Moment ein richtiger Glücksfall. Genau an diesen Waren mangelt es derzeit erheblich in den Ausgabestellen. „Doch als wir die Lebensmittel in unsere beiden Transporter einladen wollten, erklärte der Marktleiter, alles müsse da bleiben und vernichtet werden. Order aus der Zentrale“, so Langmaier.

Die Ware hatte die Sieben- Grad-Grenze überschritten und zehn Grad erreicht. Somit sind sie nicht mehr unbedenklich für den Verzehr geeignet und werden weggeschmissen. „Wir haben uns extra erkundigt, ob die Lebensmittel noch verwendet werden können und hätten auch eine Erklärung unterschrieben, die die Supermarkt-Kette von ihrer Verantwortung entbindet“, betont die Vorsitzende. Ohne Erfolg.

Solche Erlebnisse frustieren Langmaier, die seit der Gründung der Pfaffenhofener Tafel vor einem Jahrzehnt dabei ist. Die Tafeln sammeln Lebensmittel in Supermärkten, Bäckereien, Metzgereien und bei örtlichen Gemüsehändlern ein, die essbar sind, aber nicht mehr verkauft werden. Der Überschuss, der sonst vernichtet werden würde, wird von freiwilligen Helfern an Bedürftige verteilt.

Meist sind es Waren, die einen schnellen Durchlauf in den Geschäften haben: Obst, Gemüse, Brot- und Backwaren, Milchprodukte. Lebensmittel mit langer Haltbarkeit wie Nudeln, Reis, Konserven, Marmelade oder Kaffee sind selten dabei, da sie besser gelagert werden können.

Die Pfaffenhofener Tafel wurde unter Trägerschaft der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde und unter Schirmherrschaft von Claus Hipp vor zehn Jahren gegründet. Inzwischen gibt es neben der Zentrale im Draht in Pfaffenhofen vier weitere Ausgabestellen in Wolnzach, Steinkirchen, Rohrbach und Hohenwart. Wöchentlich holen durchschnittlich 240 Kunden Waren für den symbolischen Beitrag von einem Euro in den Ausgabestellen ab. So viele wie nie zuvor. Insgesamt hat die Pfaffenhofener Tafel bereits 1322 Ausweise vergeben. Anspruch auf die Lebensmittel haben Menschen, die von Sozialleistungen leben – Rentner, Alleinerziehende, Arbeitslose und Menschen, deren Lohn nicht zum Leben reicht.

Die Kunden, wie sie respektvoll von den freiwilligen Helfern genannt werden, müssen einen Nachweis Ihrer Bedürftigkeit erbringen. Dieser wird regelmäßig kontrolliert. Und die Nachfrage steigt weiter. „Im September hatten wir durchschnittlich zwölf neue Anmeldungen pro Woche“, so Langmaier. Gleichzeitig nehmen die Spenden aus den Märkten immer weiter ab.

Diese reagieren auf die öffentliche Kritik über die Verschwendung von Lebensmitteln und kalkulieren besser. Oder sie verkaufen die Ware, deren Mindesthaltbarkeitsdatum fast abgelaufen ist, zu reduzierten Preisen. Diese an sich positive Entwicklung ist ein Dilemma für die Tafeln: Sie wollen den Überschuss bekämpfen, doch der ist ihre Existenzgrundlage.

Obwohl die beiden Tafelfahrzeuge jeden Tag im Einsatz sind, reicht es hinten und vorne nicht. Wöchentlich werden über vier Tonnen Lebensmittel in Pfaffenhofen und Umgebung gesammelt. Einige der 56 Lieferanten werden täglich, manche ein- bis zweimal pro Woche angefahren. Dafür ist den engagierten Freiwilligen auch kein Weg zu weit. Bis zu einer Molkerei ins schwäbische Mertingen fahren die Tafel-Mitarbeiter, um Lebensmittel für ihre Kunden abzuholen.

„Brot ist das einzige, an dem es nicht mangelt“, erzählt Silvia Hiestand, die stellvertretende Leiterin der Tafel. Alles andere werde immer knapper. Leider spendeten auch nicht alle Märkte. „Von einigen Supermärkten hier in der Gegend bekommen wir keine Waren“, bedauert Langmaier.

Aber nicht nur Geschäfte, sondern auch Privatleute können Lebensmittel spenden. „Obst und Gemüse aus dem Garten ist uns immer willkommen. Aber auch anderes. Wer zu viel eingekauft hat, kann die Lebensmittel bei uns abgeben“, sagen die beiden Leiterinnen. Wichtig sei nur, dass sie noch originalverpackt sind.

Zudem sei die Tafel auf Spendengelder angewiesen. Insbesondere der Unterhalt der beiden Tafel-Fahrzeuge verschlinge viel Geld, sagt Hiestand. Aber gerade auf deren reibungsloses Funktionieren komme es an. „Wenn nur eines der Fahrzeuge ausfällt, haben wir große Probleme und können die Abholung der Lebensmittel kaum bewältigen“, berichtet sie.

Von Simone Diaw

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