„Lebensmittel sind zu schade für die Tonne“

Pfaffenhofener Kurier 01.10.2015

Georg Martin, seit 1. Oktober neuer Ilmmünsterer Pfarrer: „Erntedank ist ein wichtiges Fest – nicht nur kirchlich, sondern auch gesellschaftlich. Der Name sagt ja schon, warum: Wir sollten dankbar sein für das, was wir haben. Für viele Menschen auf der Welt sind Lebensmittel in Hülle und Fülle nämlich alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Bei uns hingegen werden Lebensmittel weggeschmissen. Das passiert nicht aus Bosheit, sondern aus Gedankenlosigkeit. Es schadet deshalb nicht, sein eigenes Verhalten immer wieder zu hinterfragen. Für mich persönlich spielt Erntedank da eine ganz besondere Rolle: Als Kind bin ich auf einem kleinen Bauernhof in Geierlambach aufgewachsen und habe schon von klein auf in der Landwirtschaft mitarbeiten dürfen – von der Aussaat bis zur Ernte. Und wenn man weiß, wie viel Arbeit es macht, bis Brot und Wurst auf dem Tisch sind, geht man viel verantwortungsvoller mit Lebensmitteln um.“

Silvia Hiestand, Leiterin der Pfaffenhofener Tafel: „Lebensmittel sind zu schade für die Tonne. Als Verbraucher sollte man sich zum Beispiel nicht stur auf das Mindesthaltbarkeitsdatum verlassen, sondern auch auf die eigenen Sinne: Oft sind die Produkte noch einwandfrei. Und auch aus Lebensmitteln, die nicht mehr schön sind, lässt sich noch viel machen. Bei welkem Salat zum Beispiel reicht es, ihn in kaltes Wasser zu legen. Viele Lebensmittel werden aber schon im Handel weggeschmissen. Das Mindesthaltbarkeitsdatum etwa legen ja die Hersteller fest. Manche datieren bewusst kürzer, damit der Durchsatz im Laden schneller ist. Hinzu kommt, dass bei abgepackter Ware alles weggeschmissen wird, wenn nur ein Teil optisch nicht mehr in Ordnung ist. Wir von der Tafel sorgen dafür, dass solche Lebensmittel an Bedürftige weitergegeben werden. Wir haben rund 600 Kunden, darunter fast 240 Kinder.“

Max Weichenrieder, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands: „Auch wenn wir Landwirte es eigentlich gewohnt sind, vom Wetter abhängig zu sein, war heuer ein schweres Jahr für viele Betriebe, die weniger Ertrag bei gleichen Kosten hatten. Zumindest hatten wir bei der langen Hitzeperiode das Glück, dass es kühle Nächte mit Tau gab. Sonst wären die Ernteausfälle noch viel drastischer ausgefallen. So ein Jahr zu überstehen, kann für die Betriebe schwierig sein. An Erntedank muss man auch an so etwas denken. Vielleicht hat das Fest nicht mehr so viel Bedeutung wie früher, es kann die Menschen aber zum Nachdenken anregen. Über ihre Essgewohnheiten. Aber auch darüber, woher ihre Lebensmittel eigentlich stammen. Wir in Bayern leben in einem Land, in dem es eigentlich alles gibt. Da bräuchte es gar nicht soviel importierte Lebensmittel.“

Erich Schlotter und Heidi Lempp vom Verein zur Förderung der Pfaffenhofener Tafel: „Zu Erntedank gehört es, an die Bedürftigen zu denken. Uns von den Tafeln wäre ja schon geholfen, wenn uns alle großen Supermärkte unterstützen würden – denn bei weitem nicht alle beliefern uns. In Frankreich zum Beispiel gibt es eine gesetzliche Verpflichtung, dass überschüssige Lebensmittel an Tafeln oder Bedürftige abgeben müssen. Bei uns hingegen wird viel weggeschmissen. Auch vom Verbraucher: Wir sind verbildet, zum Beispiel durch EU-Verschriften. Die Gurke hat gerade zu sein, die Banane krumm. Und auf solche Kriterien schaut dann auch der Normalverbraucher. Was abweicht, hält er vor lauter Überfluss für minderwertig – das ist aber Blödsinn. Auch krumme Gurken kann man essen. Auch schrumpliges Gemüse kann man verwenden. Heuer werden wir Verbraucher die schlechten Ernten auch am Preis merken, zum Beispiel bei den Kartoffeln. Trotzdem muss man dankbar sein, dass es bei uns alle Grundnahrungsmittel gibt. Man gibt halt ein paar Cent mehr aus. Bei den Kunden der Tafel ist das nämlich anders: Für die ist es ein echtes Problem, wenn Lebensmittel teurer werden.“

Von Michael Kraus

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